„Fidesz ist bereit, das Haus der europäischen Konservativen mit Leben zu füllen, nachdem es zunehmend leer geworden ist“ sagte die stellvertretende Präsidentin der ungarischen Regierungspartei Fidesz in einem „Welt am Sonntag“ Artikel. 

Novák, die auch Ungarns Familienministerin ist, sagte in dem Artikel mit dem Titel „Das Haus der Konservativen in Europa“, dass Fidesz die Türen für neue Impulse und neue „Bewohner“ öffnen würde, damit immer mehr Menschen lernen könnten, wie gut sie darin leben können.

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WELT AM SONNTAG

Unlängst dozierte in Welt am Sonntag der EVP-Fraktionschef Manfred Weber (CSU) darüber, dass der Fidesz dadurch, dass er die laufend nach links gleitende Europäische Volkspartei verlassen hat, zu einer rechtsextremen Partei geworden sei und ein Bündnis mit der AfD geschlossen habe. Seine Behauptung entspricht, wie schon so oft, auch diesmal nicht der Wahrheit. Wir kämpfen auf Leben und Tod mit dem Coronavirus. Durch die Pandemie wird auch die europäische Zusammenarbeit auf die Probe gestellt. Es wird von den Bürgern Europas nur schwer akzeptiert, dass es wenige auf europäischer Ebene zugelassene Impfstoffe gibt, die Beschaffung langsam geht und die Entscheidungsfindung ins Stocken gerät. Sie wissen, wie sehr wir Solidarität benötigen, denken sich jedoch zu Recht, dass Solidarität nicht bedeutet, solche Leben zu verlieren, die wir retten könnten.

In der jetzigen Krisensituation ist noch offensichtlicher geworden, dass die Menschen klare, ehrliche, verständliche Worte und Taten wollen. Sie wollen statt eines Europas von Bürokraten und Institutionen ein starkes und erfolgreiches Europa der Mitgliedstaaten, Nationen und Bürger. Es gibt immer mehr Menschen, die das Gefühl haben, dass Freiheit, Nation, die herkömmliche Familie, die christliche Kultur und Menschenwürde solche Werte sind, die von den Parteien, die dem Namen nach zur Rechtsmitte gehören, nicht mehr vertreten werden. Diese Menschen sind zu Recht empört darüber, dass sie wegen ihrer vom linksliberalen Mainstream abweichenden Meinung gebrandmarkt, ausgegrenzt und diskriminiert werden. Ein Beispiel dafür ist der ungarische Torwarttrainer Zsolt Petry, der von Hertha BSC wegen seiner toleranten, aber vom deutschen Mainstream abweichenden Meinung fristlos gekündigt wurde. Es haben immer mehr Menschen das Gefühl, nicht mehr richtig vertreten zu werden. Es stellt sich immer häufiger die Frage, wie es möglich ist, dass die linke Seite nur eine Mitte und die Rechtsmitte nur Ränder hat? In diesen unglücksschwangeren Zeiten verteidigt sich auch Ungarn nach Kräften. Die Anzahl der Impfungen wurde neben den westlichen Vakzinen durch sichere russische und chinesische Impfstoffe verdoppelt, so erreichten wir unter den EU-Mitgliedstaaten die zweithöchste Impfquote. Die Gehälter der Ärzte wurden erhöht, es wurde das größte Wohnungsbeschaffungsprojekt in Ungarn gestartet, und ab dem kommenden Jahr werden junge Menschen von der Einkommenssteuer befreit. Währenddessen werden in ganz Europa Politiker und Regierungen durch Lügen und Korruptionsskandale geschwächt oder gestürzt. Quo vadis, Europa?

Wir Ungarn leben seit über 1000 Jahren als christliche Nation im Herzen Europas und wissen, in welche Richtung wir gehen. Wir haben konkrete Vorstellungen darüber, wie wir bei Bewahrung unserer Kultur und unserer nationalen Werte ein wettbewerbsfähiges und modernes Land bauen können. Wir begegnen jedem mit Gastfreundschaft, der mit Respekt und dem Ansinnen einer gemeinsamen Zukunft zu uns kommt. Umso mehr erstaunen uns deutsche und Brüsseler Kommentare über Ungarn.

Die Erinnerung an Karl May wird wach, der dank seiner erstaunlichen Fantasie den wilden Westen detailliert beschrieb – ohne je dort gewesen zu sein. Doch das Leben in Ungarn spielt sich weder in der Fantasie ab, noch ist es Wildwestromantik. Zu beklagen sind nicht nur wiederholende falsche Behauptungen, sondern der Verlust an Qualität, an Kenntnis von Land und Leuten, der die Instrumentalisierung von Medien mit politischen Absichten leicht macht. In den elf Jahren unserer Regierungstätigkeit sind drei Entscheidungen getroffen worden, die die europäische Rechtsordnung respektieren und im von den linksliberalen Medien und der Politik beherrschten europäischen Raum als unverzeihliche Sünden gelten. Es wurde von uns 2011 im Grundgesetz festgelegt, dass die Ehe eine Beziehung zwischen einem Mann und einer Frau ist, 2015 haben wir die massenhafte Einwanderung abgelehnt, und jetzt werden die Ungarn auch mit den von unseren nationalen Behörden zugelassenen

Vakzinen geimpft. Die Entscheidungen gelten als eine Sünde, wenn ein großer Mitgliedstaat von diesem Weg abweicht (siehe Ehe zwischen Mann und Frau), sie gelten so lange als Sünde, bis ein großer Mitgliedstaat selbst diesen Weg wählt (siehe russische Vakzine), und sie bleiben so lange unverzeihlich, bis ein großer Mitgliedstaat seinen Irrtum endlich einsieht (siehe Migration). Es ist seit Langem ein beliebtes Spiel der Linken gewesen, der EVP angebliche Verletzungen von Demokratie und Rechtsstaat in Ungarn vorzuhalten. Der Blattschuss fiel in einer Kandidatenbefragung: Manfred Weber erklärte, vor aller Augen in die Enge getrieben, mit den Stimmen der Fidesz nicht Präsident der Europäischen Kommission werden zu wollen. Sein Wunsch ging in Erfüllung. Die Kampagne soll offenbar den Eindruck erwecken, als ob Ungarn ein von einem Unterdrückungsregime regiertes rückständiges, isoliertes Land sei. Weit gefehlt. Die mitteleuropäische Zusammenarbeit und die gemeinsame Geltendmachung von Interessen der Visegrád-Staaten ist herausragend, im Europäischen Rat wird der ungarische Ministerpräsident bald der erfahrenste Spitzenpolitiker sein, und jetzt, nach dem Austritt von Fidesz aus der EVP, ist deutlich geworden, dass die Mehrheit der rechtsgerichteten demokratischen Parteien in Europa gerne enger mit der ungarischen Regierungspartei kooperieren würde. Am 1. April empfing Viktor Orbán in Budapest führende Vertreter der stärksten rechtsgerichteten Parteien Europas: den polnischen Ministerpräsidenten Mateusz Morawiecki und Matteo Salvini, den Vorsitzenden der beliebtesten italienischen Partei, der Lega, die auch in der Regierung von Mario Draghi ist. Die drei Spitzenpolitiker haben sich darauf geeinigt, die demokratische Rechte in Europa neu zu organisieren. Wir werden künftig mit Parteien zusammenarbeiten, die für Freiheit, Nation, Familie, Christentum und Menschenwürde, aber gegen Migration, imperiale Logik, Kommunismus, Zensur und Antisemitismus sind. In Deutschland sind CDU und CSU natürliche politische Andockstellen des Fidesz. Ihre großen Persönlichkeiten und Architekten Europas wie Konrad Adenauer und Helmut Kohl verehren wir geradezu. Obwohl wir sehen, dass die von der immer mehr linksgerichteten Politik der EVP enttäuschten Massen heimatlos geworden sind, streben wir mit anderen deutschen Parteien kein Bündnis an, auch wenn manche diesen Eindruck erwecken wollen. Im Gegenteil, der Fidesz grenzt sich strikt ab von Parteien, die nicht für die verfassungsmäßige Ordnung einstehen. Das ist in Ungarn ein Alleinstellungsmerkmal, hat sich doch die gesamte Opposition von Postkommunisten, Sozialisten, Liberalen und Grünen mit einer offen antisemitischen und rassistischen Partei (Jobbik) zusammengeschlossen, um bei den nächsten Wahlen gemeinsame Kandidaten gegen uns aufzustellen. Irgendein Echo auf europäischer Ebene auf diese politische Obszönität? Sie vermuten richtig: ebenso wenig wie bei Entscheidungen des EUGH, wenn er wie jüngst eine angeblich die Medienfreiheit verletzende ungarische Werbesteuer für rechtmäßig erklärt. Der Fidesz steht für echte konservative Werte. Es braucht in Europa einen demokratischen rechten Flügel, der nicht dem links-grünen Zeitgeist hinterherläuft, sondern mit der Kooperation rechter Parteien die Zukunft Europas gestaltet. Das Haus der europäischen Konservativen wurde leerer und leerer, die verbliebenen Bewohner wagten bis jetzt selbst untereinander kaum das offene Wort. Wir sind bereit, dieses Haus wieder mit Leben zu füllen, die Türen für neue Impulse und neue Bewohner zu öffnen, damit mehr und mehr Menschen erfahren, wie gut es ist, hier und frei zu leben. So können wir Millionen Europäern auch im politischen Sinne ein Zuhause schaffen. Und das kann auch eine Renaissance der rechtsgerichteten demokratischen Parteien in Europa bedeuten. Es ist unsere Willkommenskultur für Europa.

Die Autorin ist stellvertretende Fidesz-Vorsitzende und ungarische Familienministerin.